Peter von den Beatsteaks: „Es ist schwer sich nicht selbst mit den eigenen Wörtern zu langweilen…“


1995. Erster Klimagipfel in Berlin. Österreich, Schweden und Finnland treten der EU bei. Microsoft veröffentlicht Windows 95. Die erste Folge der Harald Schmidt Show geht auf Sendung. Das ist eine Auswahl der wichtigsten Ereignisse des Jahres 1995. Nebenbei bemerkt ist es auch das Geburtsjahr meiner Wenigkeit.

Auch in der Musikwelt gab es einen entscheidenden Punkt! Die Beatsteaks wurden gegründet.

Umso mehr freue ich mich, dass sich Peter Baumann von den Beatsteaks die Zeit für ein Gespräch genommen hat. Natürlich während ihres TourStops in München.Ich empfehle sich die Antworten beim lesen in Berlinerisch vorzustellen!

Am 23.03. kam eure “FEVER DELUXE (DELUXE MUSIC SESSION Spezial aus dem Meistersaal)” EP raus. Darauf befinden sich drei Songs von Eurem aktuellem Album „Yours“ und zwei etwas ältere Lieder. Wie lief hier die Songauswahl? Wurden euch die Lieder vorgeben?

Peter: Ne, ne. Die Songs suchen wir uns schon selber aus. Natürlich nehmen wir welche bei denen wir denken, dass wir die gerade ganz gut spielen. Aber das wechselt durchaus auch. Mal spielen wir den gut und mal einen anderen. Zu dem Zeitpunkt hatte „Fever“ gerade einen guten Lauf. Deshalb haben wir mit dem Song angefangen.

Fünf Songs. Fünf Bandmitglieder. Durfte sich jeder einen aussuchen?

Peter: Wir sind uns da komischerweise gar nicht so uneinig. Es ist jetzt nicht so, dass sich demokratiemäßig jeder einen aussucht. Wir sind da sowieso oft sehr ähnlicher Meinung.

„Fever“ und „40 Degrees“ finde ich auf der EP ziemlich gut gelungen. Es kommt ja durchaus bei Musik mal vor das Songs live geiler sind als auf der Platte. Das sagt ihr von euch selbst ja auch manchmal.

Peter (lacht): Die waren beide fast besser als auf der Platte! Aber so ist es halt und so ist es auch schon immer gewesen. Du denkst dir was aus und spielst es so gut wie du denkst ein. Der Song hat sich aber noch nicht verselbständigt und ist noch nicht in die DNA übergegangen. Bis man weiß worauf man achten muss oder welche Stellen besonders gut sind, dauert es seine Zeit. In dieser Zeit ändert sich auch der Song wieder. An manchen haben wir ewig rumgeschraubt. Zum Beispiel „I don’t care as long as you sing“. Bis wir den richtig spielen konnten ohne groß darüber nachzudenken, hat es wirklich ein bisschen gedauert. Obwohl es eigentlich an sich kein schwieriger Song ist.

Wie seid ihr bei „40 degrees“ etc. auf die Themen gekommen?

Peter: Wir denken uns die natürlich aus.

Wie kann ich mir das vorstellen? Flipchart und Brainstorming?

Peter: Nein. Manchmal reicht ein Wort oder irgendwas das Arnim vor sich hin brummelt aus. Wir haben oft zuerst die Musik und dann das Problem einen Text finden zu müssen der darauf passt. Das wollen wir natürlich gut machen. Bei „Fever“ gab es erst dieses „I got a fever“. Der Teil war irgendwie immer schon da. Es wusste nur keiner wie es weiter geht und was „Fever“ ist und was das soll.

Entstand „40 degrees“ dann im Urlaub bei 40 Grad im Schatten?

Peter: Den hat Thomas gemacht. Fand ich total super, weil der Song schon fertig war und ich nichts mehr machen musste!

Findest du es gut wenn du nichts mehr machen musst? (lacht)

Peter: Ich meine das bezüglich des Texten. Es kann totalen Spaß machen, aber leider ist es oft nicht so. Bedauerlicherweise haben wir keinen Bob Dylan in der Band, der Gedichte schreibt die man dann nur noch ein wenig musikalisch ausmalen muss. Es ist schwer sich nicht selbst mit den eigenen Wörtern zu langweilen, sondern zu überraschen. Deswegen arbeiten wir auch gerne mit anderen zusammen, die dann neue Ideen mit einbringen. Das bringt manchmal eine Art Initialzündung.
„40 Degrees“ fand ich sehr lustig. Wenn man lachen muss, ist das immer ein gutes Zeichen, finde ich!

Ich habe gelesen, dass Arnim nicht gerne über die Texte spricht, weil es deren Magie wegnimmt, wie er sagt.

Peter: So kann man es auch sagen. Man erklärt sich generell nicht so gerne. „Wie habt ihr das gemeint? Wieso war denn das so?“ Ich verstehe durchaus, dass es für manche Menschen vielleicht ganz interessant ist, aber man selber ist mit diesen Themen in den Texten ja schon durch und will die Songs einfach nur noch spielen. Man mag es nicht sich zu erklären. Unsere Songs haben teilweise schon autobiographische Züge, aber eben nicht nur. Manche Songs sind zur freien Interpretation da. Wenn man die dann aber erklären muss, ist der Song so ein wenig entzaubert.

Worüber soll man denn reden, wenn nicht über die Texte?

Peter (lacht): Da hast du absolut recht! Eine sehr gute Frage. Ich frage mich sowieso, wieso Rockbands andauernd interviewt werden. Ein Tischler wird doch auch nicht interviewt, selbst wenn er einen geilen Schrank gebaut hat.

Im Grunde macht man die Interviews ja für eure Fans.

Peter: Wir machen Musik, weil es einfach total Spaß macht.  Die ganze Sache ist inzwischen aber ganz schön groß geworden. Mit einem Mal wird eine Wichtigkeit hinein interpretiert, die vorher nicht da war. Da möchte man natürlich auch keinen Quatsch erzählen wie: „Dieser deepe Text ist uns eingefallen, weil …“.

Aber gerade das ist ja das tolle an euch! Ihr macht die Musik, weil ihr selbst Spaß daran habt und nicht gezielt damit es euren Fans gefällt.

Peter: Ja. Aber für unsere Fans machen wir es natürlich auch. Natürlich denken wir dabei nicht primär, ob es anderen Leuten gefällt. Es ist uns aber auch nicht einerlei, ob es jemanden gefällt oder nicht. Wir möchten schon, dass es den Menschen, die unsere Musik gut finden auch mögen. Aber das kann man nun mal nicht auf Zuruf machen.

Aber es ist eben nicht Prio 1.

Peter: Nein. Das haben wir früher aber auch nicht gemacht. Wir haben schon immer die Musik gemacht, die uns unser Bauch empfohlen hat. Das hat dann glücklicherweise immer sehr vielen Leuten gefallen. An diesem Rezept werden wir auch nichts ändern. Ich wüsste ehrlich gesagt auch gar nicht wie das gehen sollte.
Stell dir mal vor du machst irgendwas, dass du selbst gar nicht so richtig abfeierst. In der Hoffnung das es jemand anderen gefällt und dann passiert das nicht. Was für eine Niederlage? So kann ich jetzt wenigstens sagen: „Ich finde es schade, dass es dir nicht gefällt, aber ich finde es geil!“

Welches Tour Erlebnis ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Peter: Ich kann mich sehr gut an das kälteste Konzert der Welt erinnern. Wir haben damals in Innsbruck an der Skischanze in der Auslaufzone gespielt. Es war total kalt! Wir konnten beim Soundcheck wegen der Kälte nicht spielen. Man konnte die Finger nicht in der richtigen Reihenfolge bewegen, wie es für die Musik gut gewesen wäre. Ich dachte wirklich, dass wir am Abend nicht spielen können, wenn es so kalt bleibt. Es wurden dann Heizpilze für uns aufgestellt. Ansonsten war es ein wirklich tolles Konzert und hat richtig Spaß gemacht. Es war irgendwie skurril und cool gleichzeitig.

Wenn du dir jetzt euer aller erstes Album anhörst. Denkst du dir dann manchmal „Oh Gott! Können wir das nicht nochmal aufnehmen?

Peter: Ne. Aber ich habe erst neulich das erste Demo wieder gefunden. Eine Kassette. Da habe ich mir schon gedacht: „Auweia!“ Ich war irgendwie stolz. Aber auch peinlich berührt. Mein Sohn sagte gleich, dass wir das genau so rausbringen sollten. Aber das können wir wirklich nicht bringen. Es ist so typisch ungestüm. Total geil. Genau so muss es auch sein. Wäre es perfekt, wäre das total blöd. Wenn man damals schon alles gewusst hätte, wäre es ja auch doof. Zum Glück wissen wir auch jetzt noch nicht alles. Genau das ist das Geile daran.

Ich habe gelesen, dass ihr für die Tour 60 Songs geprobt habt. Wie schaffst du es, dir die ganzen Riffs zu merken?

Peter: Ich habe wirklich große Angst davor, dass mir mal etwas runterfällt. Das ich nicht mehr weiß wie ein Song funktioniert. Es ist zwar sehr unwahrscheinlich und passiert sehr selten, aber trotzdem verspiel ich mich auch mal. Obwohl ich mir denke: „Ich habe diesen Song schon 300 mal gespielt!“. Aber trotzdem passiert es. Die Aufregung ist manchmal groß oder du guckst einfach nicht richtig. Das viele Proben schützt vor Verspielern nicht.

Es wäre ja auch wirklich unmenschlich, wenn du dich nie verspielen würdest.

Peter: Gut gespielte Lieder sind immer geil! Aber ein verspielter Song ist auch nicht schlimm.

Gibt es eine Band, wo du beim Konzert feststellen musstest, dass die Band live nicht so geil ist wie auf der Platte und du dir die 40 € hättest sparen können?

Peter: Nein. Dazu kommt auch, dass ich für Konzerte selten bezahlen muss. Ein großer Vorteil des Rockstarseins. Deswegen kann ich nicht sagen, dass ich mir gerne das Geld gespart hätte. Alles Luxus.

Okay. Dann sagen wir, dass du die Zeit besser hättest investieren können.

Peter: Da fällt mir ehrlich gesagt aus dem Stand jetzt keine Band ein.

Du hast dich gerade selbst als Rockstar betitelt! (grinst)

Peter (lacht): Bevor es jemand anderes macht. Natürlich in Anführungszeichen. Das wird gemeinläufig immer angenommen, deshalb dachte ich mir, dass ich das mal vorweg nehme. Dann ist es gleich klar.
Aber tatsächlich kommt es sehr selten vor, dass mir Konzerte nicht so gut gefallen. Es gibt vielmehr Konzerte, die mir total gut gefallen! Wie zum Beispiel die „Hot Snakes“. Das ist eine meiner absoluten Lieblingsbands. Die Platte hat mich umgehauen und das Konzert war noch besser. Ich kann nur hoffen, dass wir ähnlich rüber kommen. Dann wäre unser Klassenziel erreicht.

Wenn man anfängt Demos aufzunehmen, dann heißen die Songs doch oft anders als am Ende auf der Platte. Was waren denn so die lustigsten Arbeitstitel?

Peter: „Ponky Wonky“ war der Titel für „Mrs. Right“. Oder auch „Tatort“ für „Yours“, weil uns die Melodie ein wenig daran erinnert hat. Es gibt wirklich ein paar Titel, wo man eigentlich wirklich sauer ist, dass die im Endeffekt nicht beibehalten wurden. Die waren einfach viel witziger als die eigentlichen Titel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert