Ingo Donot: „Ich möchte spätestens in drei Alben im Ruhestand sein…“

Fast 25 Jahre haben die Donots inzwischen auf dem Buckel. Doch das tut ihrer Kreativität und musikalischer Weiterentwicklung definitiv keinen Abbruch. Mit dem im Januar 2018 erschienen neuen Album „Lauter als Bomben“ ist ihnen bereits das zweite Mal der Griff zur deutschen Sprache mehr als gelungen.

Frontmann und Sänger Ingo Knollmann nahm sich während dem TourStop in München Zeit für ein kleines Gespräch.Kaum auf Tour und schon knacken bei dir die Knochen! Wie geht es deiner Rippe? Gebrochen?

Ingo: Wir touren ja momentan sehr familienfreundlich, weil es inzwischen sieben Bandkinder gibt. Das heißt: Eine Woche Tour, eine Woche zu Hause, eine Woche Tour und wieder eine Woche zu Hause. Und auf diesem ersten Tour Block – der so unglaublich viel Spaß gemacht hat – bin ich in Hannover von einem Balkon ins Publikum herunter gesprungen.  Das hat mega Spaß gemacht. Man braucht für sowas aber auch ein gesundes Maß an Todessehnsucht. Am nächsten Tag habe ich dann gemerkt, dass meine Rippe ultra weh tut. Also bin ich, als wir wieder eine Woche zu Hause waren, zum Arzt gegangen und der meinte: „Ja, was soll ich jetzt machen?“. Ich so: „Keine Ahnung! Du bist doch der Arzt!“ Aber bei einer Rippe kann man wohl leider echt nichts machen, außer abwarten und im Zweifelsfall Schmerztabletten nehmen. Aber wenn du jeden Tag Alkohol trinkst auf Tour, ist das ja quasi wie eine Schmerztablette und genau das wird jetzt auch gemacht!

Ihr habt das aktuelle Album ja erstmalig über euer eigenes Label Solitary Man Records rausgebracht, weil ihr euch beim letzten Mal mit Universal eigentlich mehr versprochen hattet. Was waren denn eure Erwartungen an Universal? ­

Ingo: Ach, ich will da jetzt gar nicht groß rum moppern. Es war mit Universal schon auch eine gute Zeit mit toller Zusammenarbeit. Dort arbeiten wirklich die aller besten Leute. Wie Tessa zum Beispiel. Sie haben wir dann gleich zu Solitary Man Records mitgenommen. Aber sagen wir es mal ganz stumpf: Ein Major Label hat natürlich sogenannte „High Priority“ Themen. Wenn Rammstein eine neue Platte rausbringt, sind wir halt nur noch eine kack Band aus Ibbenbüren. Da kann man der Universal aber auch keinen Vorwurf machen, finde ich.  Mit Bands wie Rammstein geht es um weltweite Releases. Alles ist sehr viel kleinteiliger, flächendeckender und minutiöser. Die verkaufen Milliarden von Platten und dagegen können wir einfach nicht anstinken. Wenn solche Releases anstehen, sind sämtliche Büros und Telefonleitungen verklebt und du erwischt einfach wirklich niemanden.

Wollt ihr denn überhaupt gegen Bands wie Rammstein anstinken?

Ingo: Nein! Das kannst du ja auch gar nicht und darum geht es auch nicht. Aber wenn du eine neue Platte rausbringst, dann ist das dein Baby und du möchtest sie in treue Hände geben, wo sie gut behandelt wird und nicht in irgendeiner Ecke liegt. Das ist die eine Seite. Die andere Seite sind einfach so rechtliche Regularien. Wir sind eine Punk Band. Uns sind letzten Endes Freigaben etc. einfach nicht so wichtig. Ich mag es, wenn unsere Musik überall gehört wird und habe auch kein Problem damit, wenn Leute weil sie kein Geld haben unsere Platte downloaden. Aber die Universal hat halt weltweit ganz klare Regularien wie sie mit gewissen Dingen umgeht.
Als wir 2015 „Karacho“ veröffentlich haben, sind wir zusammen mit Vom von den Toten Hosen, Bela von den Ärzten und Flo von den Sportfreunden Stiller bei Circus Halligalli aufgetreten. Also mit drei Schlagzeugen auf der Bühne. Das war eine mega geile Show und wäre ziemlich krasser Content für Online gewesen. ProSieben und Circus Halligalli wollten das dann veröffentlichen. Die Universal hat dann aber gesagt: Wenn ProSieben dafür nicht bezahlt, dann kriegen sie es auch nicht! Also ist es im Nirwana verschwunden. Das neue Album läuft jetzt über unser eigenes Label und wir können alles so machen wie wir das möchten.

Gibt es irgendetwas was ihr noch nicht selbst macht? Abgesehen vom Vertrieb.

Ingo: Den Vertrieb macht Warner, aber der ganze Rest läuft über uns.

Ist doch eigentlich viel besser. Abgesehen von der vielen Arbeit.

Ingo: Das siehst du wahrscheinlich an meinen Augenringen, die mir bis zu den Knien runter hängen.

Kurt Ebelhäuser hat ja dieses Album wieder produziert. Ich habe gelesen, dass es „Kurt“ Songs gibt bei welchen er besonders viel mitgemischt hat und reine Donots Songs. Was wäre denn ein reiner Donots Song? Ausgenommen „Das Dorf war L.A.“, wo sich Guido nachts beim Schreiben zwei Flaschen Rotwein reingekippt hat.

Ingo: Es sind natürlich alles Donots Songs. Aber man kann schon sagen, dass wenn Kurt irgendwo dabei ist, er eine sehr starke Meinung hat. Das ist eine ziemlich zielführende Sache. Wir in der Band sind sehr demokratisch. Das heißt jede Stimme, die wir im Kopf haben wird gehört und deshalb kommen wir nicht immer so schnell zu einer Einigung. Alles wird erstmal ausdiskutiert. Kurt ist jemand der sagt: „Genauso machen wir das jetzt!“ Er ist auch jemand der der Meinung ist, dass man sich von dem klassischen Gedanken, dass ein Song immer 3,5 Minuten lang sein soll lösen sollte. Das es immer Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, C-Teil, Refrain sein muss. Wenn bei einem Song nach einer Minute alles gesagt ist, dann braucht man ihn auch nicht künstlich auf 3,5 Minuten aufblasen. Ganz nach dem Motto: Lieber kurz und gut, als lang und weilig. Songs wo der Aufbau durchbrochen ist, kann man am ehesten einen „Kurt“ Song nennen. So wie „Rauschen auf jeder Frequenz“ zum Beispiel. Das ist die erste Single, die wir rausgehauen haben. Der Song folgt in keinster Weise dem klassischen Aufbau einer Radio Single.

Es wäre auch langweilig, wenn immer alle das Gleiche machen würden.

Ingo: Natürlich. Aber die meisten Major Labels würde so etwas nicht als Single veröffentlichen. Das ist für die ein zu großes Wagnis, weil es nicht dem klassischen Radioformat entspricht. Wenn du das dem Ottonormal-Radioredakteur hinlegen würdest, denkt er sich vielleicht: „Netter Song. Passt aber nicht ins Radio.“ Die dicke Lippe und breiten Schultern zu sagen „Ist mir doch scheiß egal!“ musst du halt erstmal besitzen.
„Rauschen auf jeder Frequenz“ ist so ein Song wo man wirklich sagen muss, dass Kurt den richtigen Riecher hatte, wie der Aufbau sein muss. Nämlich ganz merkwürdig.

Beim Song „Junger Mann zum Mitleiden gesucht“ vom „Karacho“ Album hast du mir damals erzählt, dass du mit der ersten Textversion ins Studio kamst und quasi wieder rausgeworfen wurdest. Gab es so einen Song bei diesem Album auch?

Ingo: Nein. Ich habe mittlerweile einen guten Modus gefunden wie ich mit Sprache umgehe. Das ich mit einem Text ins Studio gekommen bin und alle „Nö“ gesagt haben, gab es eigentlich nicht. Wir reden natürlich schon darüber. Man muss den Text ein bisschen dem Song anpassen. Am Ende des Tages müssen aber nur wir selbst damit glücklich werden. Wir sind ja mittlerweile sowas von autark, das gar nichts mehr geht. Wir haben mittlerweile unser eigenes Studio. Einen alten Weltkrieg 2 Bunker in Münster, den wir ausgebaut haben. Wir produzieren mit. Wir schreiben den ganzen Scheiß. Wir sind unser eigenes Management, unser eigenes Label. Du kannst gar nicht autarker sein. Wenn wir jemanden Rechenschaft ablegen müssen, dann nur uns selbst.

Du hast wahrscheinlich auch einfach inzwischen mehr Übung auf Deutsch.

Ingo: Ja, wahrscheinlich auch das. Ich denke aber, dass ich noch weit von dem entfernt bin, was noch möglich ist. Das ist auch gut so! Es darf niemals an den Punkt kommen, wo man denkt „Was bin ich für ein geiler Typ?! Das ist ja das Geilste, was ich jemals gemacht habe!“ Du darfst immer stolz sein auf das was du geleistet hast. Aber es muss auch immer jemanden geben zu dem du aufschauen kannst. Jemanden der es noch besser kann.

Mir ist aufgefallen, dass Guido auf diesem Album mehr singt. Das ist aber nicht der Versuch klang und heimlich kürzer zu treten oder?

Ingo: Du hast den Plan absolut aufgedeckt. Ich möchte spätestens in drei Alben im Ruhestand sein und nur noch in einem Klappstuhl neben der Bühne sitzen.

Und am besten bringt dir noch jemand ein Bier!

Ingo: Das wäre natürlich geil. Aber nein, ich trete nicht kürzer. Der angenehme Nebeneffekt ist, dass ich auf der Bühne zwischendurch ein wenig verschnaufen kann. Genau genommen machen wir es aber deshalb, weil es einfach charmant ist auch mal eine andere Stimmfarbe auf dem Album zu haben. Niemand kann so schön „nicht singen“ wie Guido. Aber genau das macht es perfekt. Wir haben immer ein Paar eher poppigere Songs auf den Alben. Meine Stimme ist sehr klar, weshalb solche Songs immer schnell nach Hochglanz-Pop klingen können, wenn ich sie singe. Deswegen ist es halt mega gut, wenn du jemanden wie Guido hast, der im Grunde genommen klingt als würde ihm eine Kneipe aus dem Hals raushängen. Guido zerstört die Songs auf eine gute Art und Weise. Genau so muss es ein!

Jeder in der Band hat ja seine Aufgaben. Eike kümmert sich bei euch um die Kosten, Alex und Jan teilen sich den Social Media Kram, du machst viel Pressearbeit und Guido ist einfach Guido.
Wie haben sich die Aufgaben in den letzten 15 Jahren verändert?
Heute: Social Media – Früher: Bier holen?

Ingo: Ich glaube wir sind einfach nur kleinteiliger geworden in dem was wir tun. Man wird mit der Zeit in seinem jeweiligen Metier ja auch besser. Heute hat die Band eine viel größere Aufmerksamkeit als früher. Dadurch muss man sich mit viel mehr Kram auseinander setzen. Ob es nun Social Media ist oder Label Entscheidungen. Wo investierst du Geld rein? Machst du eine fette Plakat Kampagne oder haust du die ganze Kohle in Videos? Alex macht inzwischen das Management. Das heißt wir haben alle Zügel komplett in der Hand. Das ist eine tolle Sache. Bedeutet aber auch, dass du vor einem Release wahnsinnig wirst.

Und wer musste früher das Bier holen? Der „Kleine“?

Ingo: Ne. Guido hat ja keinen Führerschein. Meistens derjenige, der einen Führerschein und keinen Alkohol getrunken hatte. Was dann doch meistens Alex war. Der trinkt ja keinen Alkohol.

Ihr spielt derzeit die größten Konzerte eurer Karriere und habt wahnsinnig viel erreicht!
Habt ihr überhaupt noch Ziele?

Ingo: Ich glaube, dass du niemals satt werden darfst. Das ist einfach total wichtig. Blut lecken jedes Mal aufs Neue. Es darf einfach niemals normal werden. Die Bühne darf keine Stempeluhr bekommen und auf gar keinen Fall dürfen wir in schlechte Routine verfallen.
Die Ziele würde ich in zwei verschiedene Bereiche einteilen. Zum einen Musikalisch. Im Studio ist das Ziel immer neue Wege zu finden unseren Sound zu beleuchten. Uns immer wieder selbst zu überraschen und zu überzeugen, dass es das Richtige ist was wir tun.
Live gibt es noch so viele Steckdosen auf der Welt an welchen wir noch nicht eingestöpselt waren. Also wollen wir natürlich, wenn du so willst, den „Kampfbereich“ erweitern. Es macht auch einfach Spaß, wenn du siehst, dass immer mehr Menschen zu deinen Shows kommen um dich spielen zu sehen. Das ist ein ganz tolles Gefühl.
Der andere Bereich – und das klingt vielleicht ein wenig kitschig – ist die Hoffnung, dass wir uns weiterhin so gut verstehen, uns so respektvoll behandeln wie wir es in den letzten fast 25 Jahren getan haben. Das ist eigentlich noch viel wichtiger als das Musikalische.

Würdest du mir erklären was es mit dem Knusperfelix auf sich hat?

Ingo: Ooooohhh. Okay. Hast du jemals darüber nachgedacht, dass es verschiedene Dimensionen und Realitäten gibt?

Ja.

Ingo: Hast du jemals darüber nachgedacht, dass du Geräusche schmecken und Gefühle möglicherweise riechen kannst? Sprich: Das es Gottheiten gibt, die dir gar nicht zugänglich sind, weil du gar nicht die Sinnenorgane hast um sie aufzunehmen?

Joah. (wiegt leicht mit dem Kopf)

Ingo (lacht): Siehst du! Das hat nämlich überhaupt nichts damit zu tun.

Oh mein Gott! Ich dachte mir gerade: Wo geht das denn jetzt hin? (lacht)

Ingo: Wir sind keine religiösen Menschen – ganz im Gegenteil – aber der Knusperfelix ist so etwas wie der Gott unserer Band. Es gibt eine Chips Firma namens Ültje. Die haben eine Fabrik an der A1 bei Schwerte wo früher auf dem Dach der Knusperfelix stand und gewunken hat. Als wir noch kleine Kinder waren sind wir auf dem Weg in den Urlaub immer daran vorbei gefahren. Unsere Eltern haben immer gesagt: „Guckt mal! Da ist der Knusperfelix, der winkt. Wenn ihr zurück winkt werden die Nüsse richtig schön knusprig.“
Eigentlich eine ultra bescheuerte Geschichte. Genauso bescheuert wie jede Religion. Deshalb haben wir uns gedacht, dass der Knusperfelix der Schutzpatron unserer Band wird. Man kann ihn nicht richtig erklären, sondern sich nur ihm erklären. Leider steht diese Figur inzwischen nicht mehr auf dem Dach der Fabrik. Aber wir sehen sie natürlich trotzdem. Denn ein Abbild brauchst du nicht, wenn du daran glaubst.

Bei der Vorbereitung auf dieses Interview habe ich viel über euch gelesen, gesehen und gehört. Manchmal hat sich mir die Frage gestellt, was wohl in Guidos Kopf vorgeht. Beispiel: Guido sollte für einen Vlog von Jan etwas aufnehmen. Dabei ist etwas ganz seltsames mit seiner Hand bei rausgekommen. Ich habe mich lange nicht so köstlich amüsiert!

Ingo: Ich kann dir sagen: Alles was bei Guido im Kopf passiert, passiert in dem jeweiligen Moment. Kurze Zeit später kann er nicht mehr darauf zugreifen. Das ist so ein bisschen wie eine kaputte Festplatte. Vielleicht liegt es am Knoblauch! Es gibt keinen Menschen der so viel Knoblauch in sämtliche Gerichte reinhaut wie Guido! Neulich hat er sich quasi mit Knoblauch ein bisschen vergiftet. Ihm ist ganz heiß und kalt geworden und er hatte so eine Art Tunnelblick.


Lass uns noch ein wenig über Politik sprechen. Die GroKo! Was sagst du dazu?

Ingo: Trauerspiel! Die nächsten vier Jahre „more of the same shit“. Aber am Ende des Tages mussten die ja irgendwie auf eine Einigung kommen damit es weiter gehen kann. Ohne ein Steuerrad ist es ja auch schwierig in diesen Zeiten.

Es war ja schon ein wenig peinlich, dass es so lange gedauert hat.

Ingo: Peinlich ist es auch, ja. Die SPD hat sich im Grunde genommen ihr Todesurteil damit unterschrieben. Was für eine Wendehalserei? Wie kann man sich bitte dermaßen selbst das Armutszeugnis unterschreiben? Unglaublich! Völlig beschissen ist natürlich, dass du dadurch eine starke AFD als Oppositionspartei hast. Das wird sau nervig! Die sind so schon nervig, aber wenn die AFD jetzt erstmal anfängt so richtig rum zu moppern, einfach nur weil sie ja im Grunde genommen jetzt den offiziellen Auftrag haben, wird das mega nervig!

Satiriker haben auf jeden Fall die nächsten vier Jahre Stoff!

Ingo: Genau! Wenn die AFD jetzt im Bundestag sitzt, ist das zum kotzen! Aber es war auch zu erwarten gewesen. Wenn man es irgendwie positiv drehen kann, dann ist dadurch zumindest gegeben, dass die nächsten vier Jahre Deutsch-Punk ziemlich geil wird.

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