Arni von Radio Havanna: „Wenn der Redakteur es lieber mag, dass der Musiker seine Yogarolle ausrollt und den Morgengruß macht, ist das ja auch ok.“


Mit dem Morgengruß hat Radio Havanna mich in Schweinfurt nicht begrüßt, aber dafür mit einem sehr amüsanten Soundcheck. Sänger Fichte informierte die Crew dabei ein wenig über die Stadt, deren Einwohnerzahl und was man sonst noch so wissen sollte.

Ich habe die vier Jungs der Band als sehr meinungsstarke, engagierte und lustige Musiker empfunden. Das gilt nicht nur auf der Bühne, sondern umso mehr dahinter und ich finde, dass gerade in Zeiten wie diesen, solche tollen Menschen unheimlich wichtig sind.

Hiermit möchte ich mich ganz klar outen: Ich finde Radio Havanna toll!

Überzeugt euch selbst.

Jemand von euch hat mal gesagt, dass er die Charts als Mainstream empfindet. Nun seid ihr ja aber selber mit eurem letzten Album Utopia in den Charts gelandet. Seid ihr jetzt Mainstream?

Arni: Das warst bestimmt du, Fichte!

Fichte: Ich habe das nicht gesagt! Aber ok: Sagen wir die Top 10 sind Mainstream.

Arni (lacht): Wir arbeiten uns ran!

Aber wollt ihr überhaupt in die Top 10 der Charts?

Arni: Vorsätzlich natürlich nicht! Wir machen ja nicht Musik, um in den Top 10 zu sein. Ich finde, dass die Charts etwas sehr abstraktes sind. Die waren schon immer abstrakt, aber heutzutage sind sie es noch mehr. Wenn wir das wirklich gesagt haben sollten, muss ich das ein wenig relativieren. Heutzutage ist fast jede Szene Band irgendwie in den Charts. Es werden so wenig Platten verkauft, dass sogar teilweise Szene Bands, vor allem aus dem Hip Hop Bereich, öfter auch in den Top 10 landen. Die vorderen Plätze werden natürlich immer irgendwie vom Schlager dominiert, weil dort noch ziemlich gut Platten verkauft werden. Ansonsten schaffen inzwischen Punk und Hip Hop Bands Chartplatzierungen, die vor zehn Jahren gar nicht möglich gewesen wären. Deswegen finde ich ehrlich gesagt nicht, dass die Charts Mainstream sind. Heutzutage sind viel öfter Szene Bands vertreten als noch vor zehn oder fünfzehn Jahren.

Bei Bochum Total letzten Juli gab es während eurer Show einen Polizeieinsatz vor der Bühne. Kommt das bei euch öfter vor?

Arni: Nein. Gott sei Dank nicht. Das in Bochum war einfach eine echt dumme Geschichte. Wir wurden vorab auf Facebook von zwei Fans gefragt, ob sie bei unserem Song „Faust hoch“ mit einem Banner auf die Bühne kommen dürfen. Da haben wir natürlich nicht nein gesagt. Als die beiden auf die Bühne kamen, waren sie vermummt. Die Polizei fand das irgendwie kacke, hat völlig über reagiert und sie nach verlassen der Bühne festgenommen. Wir haben das leider auch erst nach dem Konzert mitbekommen und noch versucht zu helfen. Das war eine totale Überreaktion seitens der Polizei. Die hat da einfach scheiße gehandelt. Gott sei Dank, passiert das nicht so oft!

Fichte: Höchstens mal bei dem 1. Mai Konzert, wo ich vorher festgenommen wurde.

Arni: Stimmt! Da wurde Fichte spontan noch wieder frei gelassen.

Fichte: Der Oberbürgermeister von Erfurt hat mich wieder rausgeholt, damit ich das Konzert spielen kann.

Und wieso wurdest du festgenommen?

Fichte: Wir waren einfach auf einer Demo. Zwar nicht eingekesselt, aber wir sind schon ein bisschen vor der Polizei weggerannt. Dummerweise haben wir den falschen Weg eingeschlagen und sind in einen Fluss gelaufen. Auf der anderen Seite war dann leider schon die Polizei.

Aber war ja nett, dass sie dich für das Konzert wieder rausgelassen haben.

Arni (grinst): Alleine dafür hat es sich gelohnt in einer Band zu spielen.

Fichte: Sonst hätte es halt drei Stunden länger gedauert.

Olli: Die anderen Mitgefangenen waren ein bisschen neidisch, oder?

Arni: Die waren streng genommen ziemlich…

Fichte: …angepisst! Es war eine Nazi Demo und wir haben dagegen demonstriert bzw. versucht sie zu blockieren und wurden dabei dann festgenommen. Auf dieser offiziellen DGB Veranstaltung gegen die Nazis sollten wir eben spielen. Der DGB Chef hat dann, um mich rauszukriegen den Oberbürgermeister angerufen und der dann wiederrum den Oberbullen. Der hat noch gesagt: „Aber sagen Sie auf der Bühne nichts gegen den Polizeieinsatz! Sonst ist uns das egal und wir holen Sie auch von der Bühne wieder runter!“ Das habe ich dann den anderen erzählt und die haben das dann für mich übernommen.

Kennt ihr eure „Utopia“ Kritik von laut.de? Darin heißt es: „…der Punk im Radio Havanna-Universum kennt nur zwei Aggregatszustände: Voll oder verkatert, Bier oder Pfeffi. …“
Für mich ist das die Umschreibung des Autors für Alkoholiker.

Arni: Wenn der Redakteur es lieber mag, dass der Musiker seine Yogarolle ausrollt und den Morgengruß macht, ist das ja auch ok. Wir sind eben eher die Pfeffi Gang.

Was haltet ihr von Kritiken, wo es teilweise nicht wirklich um die Musik geht?

Fichte: Es geht um ihn. Damit kritisiert er ja nicht uns oder unser Album, sondern will seine Meinung zum Thema Alkohol zum Ausdruck bringen.

Arni: Das kann er ja schreiben, aber es hat halt nichts mit der Musik zu tun. Deswegen habe ich da ehrlich gesagt nicht wirklich eine Meinung zu. Wenn er es so empfindet, dass wir zu viel über Alkohol singen, dann soll er das eben so sehen. Finde ich auch nicht schlimm. Aus meiner Sicht ist es nicht so.

Ich habe weder den Eindruck, dass ihr gerade voll seid, noch seht ihr verkatert aus.

Arni: Das stimmt auch.

Fichte (lacht): Es stimmt tatsächlich!

Anfy: Ich finde es auch einfach lustiger über Abende zu schreiben, wo man sich mal volllaufen lässt. Was ich daran nicht verstehe, ist die Tatsache, dass wir am Ende des Tages in einer Rockband bzw. in einer Punk-Rockband spielen. Darüber könnte man sich natürlich auch streiten. Aber wenn man es schlimm findet, dass eine Rockband Alkohol konsumiert, verstehe ich das irgendwie nicht.

Wie entstand euer Song „Homophobes Arschloch“?

Arni: Das hatte ich zu Hause alles relativ schnell zusammen, weil es sich in dem Moment auch sehr gut angefühlt hat. Ich hatte einfach Bock auf einen einfachen Pop-Punk-Song, der es ja am Ende ist. Das war alles sehr schnell fertig. Danach schicke ich es dann immer an Anfy und später an Olli und Fichte. Den Text haben wir zusammen mit Jen von Grossstadtgeflüster geschrieben. Das war ein total geiler Tag! Wir haben da zwar relativ lange dran gesessen, ich glaube ungefähr acht Stunden, aber es hat krass viel Spaß gemacht mit ihr.

Anfy: Jen denkt einfach ein bisschen anders. Du gibst ihr irgendein Thema in die Hand und sie kommt mit einer Sichtweise um die Ecke, die man so eben nicht erwartet hätte. Das ist auch der Grund wieso man manchmal zusammen mit anderen Leuten schreibt und das hat auch sehr gut funktioniert.

Um was geht es in eurem Song „Hinter mir“?

Fichte: Den habe ich schon komplett vergessen.

Arni: Anfy hat den Song hauptsächlich geschrieben.

Anfy: Das ist so ein bisschen mein Baby, an dem ich lange rumgebastelt habe. Den Song musste ich vor den anderen immer ein bisschen verteidigen, weil sie nicht zu 100 % wussten, was ich damit eigentlich will.

Fichte: Das ist bis heute so.

Anfy: Arni hat dann noch einmal einen neuen Text geschrieben. Ich bin sehr froh, dass der Song auf das Album gekommen ist. Er ist eigentlich auch einer meiner Lieblingssongs darauf.

Und was wolltest du mit dem Song ausdrücken?

Anfy: Das ist so ein bisschen das Problem, wieso auch die anderen sich mit dem Song immer ein bisschen schwer getan haben. Es ist nicht ganz eindeutig. Entgegen unserer Philosophie bei vielen Songs sehr direkt zu sein und wo immer klar ist was passiert, hat dieser mehr Interpretationsspielraum.

Arni: Wir haben bei „Hinter mir“ sehr viel hin und her getextet. Der Song hatte auf der Platte auch am meisten Textversionen. Was alle von Anfang an cool fanden, sind die Emotionen, die der Song rüberbringt, aber der Text war sehr unklar, fragmentartig und konfus. Danach entstand ein Text, der viel zu direkt war und dadurch die Stimmung aus dem Song genommen hat. Am Ende haben wir uns in diesen Kompromiss reingearbeitet, den man sehr individuell interpretieren kann. Ich glaube alleine bei uns, würde jeder etwas anderes sagen. Man kann also nicht klar sagen, dass das jetzt zum Beispiel ein Song gegen Nazis ist.

Arni: Worum geht er denn für dich?

Das weiß ich auch nicht so genau.

Arni: Aber du findest ihn ja irgendwie gut.

Ich dachte, dass ihr mir vielleicht helfen könnt ihn klar zu verstehen, weil ich es eben auch nicht beantworten kann. Aber ich finde ihn geil. Vielleicht auch genau deswegen.

Arni: Wir sind ja sonst immer sehr direkt und wissen ganz genau worüber wir in den Texten reden. Ich finde es aber eigentlich spannend, dass wir einen Song haben, der sehr offen ist und wo trotzdem viele sagen: „Finde ich irgendwie gut, aber ich könnte dir nicht sagen worum es geht.“

Anfy: Ich glaube, man kann ihn sehr gut in einer zwischenmenschlichen Beziehungsrichtung orten.

Ist außer Fichte noch jemand privat auf Demos unterwegs?

Arni: Naja, wir waren ja auch alle auf der Demo, wo Fichte festgenommen wurde. Wieso waren wir eigentlich nicht da wo du warst, Fichte?

Fichte: Ihr seid eine andere Route gelaufen, als Peter und ich.

Arni: Es ist auf jeden Fall super wichtig auf Demos zu gehen. Leider schaffen wir es aufgrund der Touren nicht so oft.

Die Flüchtlingskrise spaltet ja Freundeskreise und Familien. Was für Tipps habt ihr im Umgang mit Familienmitgliedern, die, sagen wir mal, leicht rassistische Kommentare von sich geben.

Arni: Im Familienkreis erlebe ich das vor allem mit der älteren Generation. Manche haben einfach eine sehr beschränkte Wahrnehmung bei gewissen Dingen. Da dreht es sich nicht nur um die Flüchtlinge, sondern auch darum, dass die Welt sehr reduziert und einfach ist. Wo will man da anfangen? Natürlich diskutiert man und ich werde nicht aus einen Gespräch gehen und sagen: „Ja, du hast Recht.“ Das wird nicht passieren, aber es gibt durchaus Momente, wo auch ich einfach nicht mehr weiß, wo ich ansetzen soll.

Olli: Ich würde sagen, dass es immer ein bisschen darauf ankommt, ob derjenige ein richtig überzeugter Rassist ist. Bei solchen Menschen wirst du wenig machen und diskutieren können. Man wird kaum einen gemeinsamen Punkt finden. Da muss man im Familienkreis vielleicht einfach sagen: „Ok. Einmal im Jahr halte ich das mit der Person aus!“ Bei Menschen, die leicht rassistisch sind, kann man schon ansetzen, in dem man zum Beispiel fragt, was genau ihm oder ihr denn Angst macht. „Ich habe Angst um meinen Arbeitsplatz und das er mir von anderen weggenommen wird.“ Hier kann man auf die Person eingehen: „Das ist eine berechtigte Angst, aber da sind ja nicht die Flüchtlinge für verantwortlich, sondern die Wirtschaft im Größeren, dein Chef oder…“

…man selbst!

Olli: Genau! Man sollte versuchen, den Leuten ein bisschen die Angst zu nehmen und ihnen erklären, dass nicht Flüchtlinge für die Probleme in ihrem Leben verantwortlich sind.

Was haltet ihr von der Idee der CDU eine Art „Gesellschaftsjahr“ einzuführen?

Arni: Ich finde, dass nicht sinnvoll. Es ist ja nicht nur etwas, was den sozialen Bereich unterstützt. Das wäre ja noch der positive Aspekt an der ganzen Sache, sondern eben auch die Bundeswehr. Wir waren mit der Abschaffung des Wehrdienstes schon einmal weiter in der Gesellschaft. Das wäre, finde ich, schon ein kleiner Rückschritt.

Olli: Es ist gut und wichtig, wenn Leute soziale Dienste für die Gesellschaft leisten, aber es sollte vernünftig bezahlt werden. Ich finde, dass es keinen Sinn macht die Menschen dazu zu zwingen für 300 € im Monat zu arbeiten.

Arni: Der Pflegesektor, der ja nun definitiv ein Problem ist, soll durch dieses „Gesellschaftsjahr“ auf Jugendliche ausgelagert werden. Olli hat schon Recht, dass das ja nicht die Lösung sein kann. Diese Arbeit ist so unfassbar wichtig, weil die ganze Gesellschaft immer älter wird. Es muss langfristig eine Lösung gefunden werden, weil das Thema ja auch unaufhaltsam ist und immer kritischer wird. Ich denke trotzdem, egal wie die Lösung im Detail aussieht, dass man nicht an den Kosten für die Arbeitskräfte sparen kann. Wenn man das Blatt noch irgendwie wenden möchte, wird man das nur über den Lohn regeln können. Es ist ein krasser Job und ich ziehe meinen Hut davor.

Möchtet ihr zum Schluss noch irgendetwas loswerden?

Radio Havanna: Berliner Luft ist ein gutes Getränk! Trinkt Berliner Luft!

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